HAUS NOOMI Eine Einrichtung im Landkreis, die Opfern von Gewalt eine Zuflucht bietet und Integrationsarbeit leistet.
Ein Frauenhaus ist eine geschützte Unterkunft für Frauen (und ihre Kinder), die häusliche Gewalt erfahren haben. Dort werden sie psychologisch unterstützt und in familien-und sozialrechtlichen Angelegenheiten beraten, um ihnen zukünftig ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Häusliche Gewalt oder traumatisierende Erfahrungen erfahren aber nicht nur Frauen in Deutschland, sondern auch jene, die auf der Flucht sind. Oft sind es Gewalterfahrungen, die Frauen dazu treiben, ihre Heimat zu verlassen – manchmal werden sie auf der Flucht zu Opfern von Gewalt oder erleben Schlimmes, wenn sie sich endlich sicher geglaubt haben. Ein „klassisches“ Frauenhaus ist für die Betroffenen jedoch keine passende Unterkunft. Denn sie benötigen nicht nur eine Zuflucht, sondern haben weiteren Unterstützungsbedarf. Diesen finden die Frauen im „Haus Noomi“, einem Angebot unter
der Trägerschaft des Diakonischen Werks Südfranken. Es richtet sich an Frauen mit Gewalterfahrung aus sogenannten Drittstaaten, die sich derzeit im Asylverfahren befinden bzw. bereits anerkannt sind und noch keine eigene Wohnung gefunden haben oder aufgrund ihrer Traumata eine engmaschigere Begleitung benötigen.
Verbesserung der Lebenssituation
Im „Haus Noomi“ sollen die Frauen zuallererst zur Ruhe kommen und die Möglichkeit haben, sich zu stabilisieren. Die Zusammenarbeit mit anderen Fachstellen ist dabei selbstverständlich: Teils wird an andere diakonische Dienste wie den sozialpsychiatrischen Dienst oder die Beratungsstelle Alma für Opfer von sexualisierter Gewalt weitervermittelt.
Unter anderem werden die Frauen auch im Asylverfahren, bei der Klärung behördlicher Anforderungen oder in der Erziehung und Betreuung ihrer Kinder unterstützt. Ein Schwerpunkt wird aber auf die Behandlung und Verarbeitung von Traumata und psychischen Erkrankungen gelegt, damit die Frauen später psychisch in der Lage sind, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Außerdem erfolgt die Anbindung an andere Fachdienste außerhalb des Landkreises, wenn es um spezielle Themen, wie zum Beispiel weibliche Genitalverstümmelung, geht. Darüber hinaus gibt es eine enge Zusammenarbeit mit den Integrationslotsinnen des Landratsamtes, deren Dolmetscherpool häufig genutzt wird. „Die Frauen im Haus leben selbstständig, gehen einkaufen, kochenund die Kinder gehen in den Kindergarten oder in die Schule“, erklärt Verena Leithner, eine von zwei Sozialpädagoginnen, die als Fachbetreuerinnen Ansprechpartner und Unterstützung für die Frauen sind.
Wenn möglich besuchen die Frauen einen Integrations- oder Alphabetisierungskurs, denn nicht immer hatten die Betroffenen die Chance, in ihrer Heimat eine Schule zu besuchen.
Zusätzlich ist eine Präsenzkraft vor Ort, die bei alltagspraktischen Dingen hilft. Und auch die Frauen aus dem örtlichen Asylhelferkreis zeigen großes Engagement. Angefangen hat alles vor circa sieben Jahren im Rahmen von „Weißenburg hilft“. Die Entscheidung über eine Zuweisung ins „Haus Noomi“ erfolgt auf Antrag durch die Regierung von Mittelfranken. Das Projekt läuft unter dem Namen „Safe-we.care“ und wird seit Anfang vergangenen Jahres vom AMIF (Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds) der europäischen Union gefördert. Es gibt dabei eine enge Zusammenarbeit mit der Kirchengemeinde Zirndorf, die im dortigen ANKER tätig ist und vulnerable Geflüchtete identifiziert. Die Ziele von „Safe-we.care“ sind die Verbesserung der Lebenssituation der Geflüchteten sowie die Ermöglichung einer besseren Integration der bleibeberechtigten Frauen. Dazu gehört der Aufbau eines Netzwerkes zur psychotherapeutischen Versorgung und der Akquirierung neuer Dolmetscher.
Politisch verfolgt
Im „Haus Noomi“ finden acht Frauen (mit ihren Kindern) Platz. Derzeit ist die Unterkunft, die sich im Landkreis Weißenburg befindet, ausgelastet: insgesamt acht Frauen und acht Kinder sind aktuell dort untergebracht. „Die Aufenthaltsdauer hängt vom Verfahren ab“, sagt Martin Ruffertshöfer, geschäftsführender Vorstand beim Diakonischen Werk. Das könne von wenigen Monaten bis zu einigen Jahren reichen. Im Januar ist Valentina mit ihrer zehnjährigen Tochter im Schutzhaus untergekommen, davor war sie ab November 2023 in Zirndorf untergebracht. Sie wurde in ihrer Heimat Venezuela politisch verfolgt, weil sie in ihrer Tätigkeit als Journalistin regierungskritische Artikel verfasst habe, erzählt die 43-Jährige auf Spanisch, was von Nadine Blamberger ins Deutsche übersetzt wird. Außerdem habe sie im Jahr 2018 an Protestmärschen gegen Präsident Nicolás Maduro teilgenommen. Zunächst sei sie zu Schutzgeldzahlungen für die Sicherheit ihrer Familie erpresst und aufgefordert worden, die Berichterstattung einzustellen. Um dem Nachdruck zu verleihen, habe man ihrem Mann, der als Bauingenieur arbeite und zudem Mitglied der Oppositionspartei sei, sein Geschäft angezündet. Valentina berichtet, sie habe aufgehört, an ihrem Artikel zu arbeiten. Die Unterlagen hätte sie aber mit nach Hause genommen, was zur Folge hatte, dass dort bewaffnete Männer aufgetaucht seien, die ihren Mann, der zum damaligen Zeitpunkt als einziger zu Hause gewesen sei, bedroht hätten. Danach habe sie zur Sicherheit ihrer Familie und ihrer eigenen beschlossen, das Land zu verlassen. Gemeinsam mit ihrer Tochter habe sie sich dann auf den Weg ins Nachbarland Kolumbien gemacht. Einziger Kontakt in ihre Heimat Venezuela sei ihre Mutter gewesen, die ihr schließlich nach Kolumbien gefolgt sei und sich immer noch dort aufhalten würde. Mit ihrem Mann habe sie seit ihrer Flucht nicht mehr gesprochen. Sie wisse nicht, wie es im gehe oder ob er überhaupt noch am Leben sei.
Gut integriert
Das ist das erste Mal, dass Valentina ihre Erzählung unterbricht, mit den Tränen kämpft und versucht, die Fassung zu behalten. Sie habe alles verloren und wisse nicht, ob ihre Tochter vielleicht Halbwaise sei. Diese Gedanken habe sie vermutlich auch während ihres Aufenthalts in Kolumbien umgetrieben. Sie habe sich dort wegen der politisch instabilen Lage aber nicht sicher gefühlt und überlegt, wo sie andernorts Schutz finden könnte. Ihre Tochter sollte außerdem nicht mitbekommen, wie sie leide und zusätzlich traumatisiert werde. Schließlich habe sie eine Cousine in Bonn kontaktiert, die sie – auch finanziell – dabei unterstützt habe nach drei Monaten Aufenthalt mit Touristenvisum in Kolumbien nach Deutschland einzureisen. Ein gutes halbes Jahr sind nun vergangen, seit Valentina und ihre Tochter im „Haus Noomi“ untergekommen sind. Sie selbst ist noch dabei, wieder zur Ruhe zu finden. Sie besucht einen Deutschkurs, aber wohin sie ihre weitere Zukunft führt, sich darüber Gedanken zu machen, dafür fehlen der 43-Jährigen derzeit noch die Kapazitäten. Ob sie in die Nähe ihrer Cousine ziehen wird, ob sie wieder in ihrem alten Beruf als Journalistin
arbeitet. Aber als sie von ihrer Tochter erzählt, beginnt Valentina zu strahlen: Die Zehnjährige gehe gern in die Schule und fühle sich dort sehr wohl. Sie würde mittlerweile schon ganz
gut Deutsch sprechen können und auch ihr selbst, ihrer Mutter, etwas beibringen. Aber auch Valentina hat die Möglichkeit, etwas zurückzugeben: Die Lehrerin ihrer Tochter besucht sie regelmäßig und nimmt Spanischunterricht bei ihr.
Text: Weißenburger Tagblatt (Barbara Struller)